Geschichte und Entstehung des Irish Terriers

In grauer Vorzeit
Wenn man den Veröffentlichungen im Laufe der Jahre und Jahrhunderte von Jowett über Rawdon Lee bis Horner und Howard Jones
glauben darf, kann über die Entstehung des Irish Terriers eigentlich nicht berichtet, sondern allenfalls spekuliert werden.

Dennoch formt sich ein Bild, daß von Hunden erzählt, die bei den einfachen, armen, von einem adeligen Lehnsherren abhängigen
Menschen auf dem Land lebten und diesen halfen, ihren kargen Lebensunterhalt zu verdienen. Ein solcher Hund mußte nützlich sein,
indem er Haus und Hof bewachte, die Schädlinge von Maus und Ratte bis Fuchs und Marder fernhielt und tötete und indem er in
Zusammenarbeit mit seinem Herrn einen Beitrag zur Ernährung der Familie beisteuerte.
Man hat für diese segensreiche Tätigkeit häufig den unschönen Begriff des Wilderns verwendet;
aus heutiger Sicht war es angesichts der Lebensumstände der irischen Landbevölkerung wohl allenfalls Beihilfe zum Mundraub.

Weiter erwartete man von diesen Hunden, dass sie sich selbst ernährten und auch sonst keinerlei Kosten verursachten.
Dafür gewährte man ihnen reichlich Auslauf im Dorf und in Feld und Flur. Dort kümmerten sie sich nicht nur um ihren Lebensunterhalt,
sondern auch nach dem alten Motto "nobody loves like an Irishman" um den Fortbestand ihres Stammes.

Das dem durchschnittlichen irischen Landmann das Aussehen seines Hundes völlig wurscht war, wenn er nur die Erwartungen in ihn
möglichst weitgehend erfüllte, darf als sicher angenommen werden. Und so entstand ein Schlag von Hunden, die in ihrem Wesen
zwei gänzlich konträre Grundzüge vereinten. Zum einen lebten sie in -auch räumlich- engster Nähe mit ihren Menschen,
mit denen sie zum Wohle der Familie aufs engste und vertrauensvollste zusammenarbeiteten, zum anderen funktionierte das
Zusammenleben mit anderen Hunden noch weitgehend so,
wie es ihnen von Stammvater Wolf in den Genen auf den Weg zur Domestikation mitgegeben worden war.

Der Mensch nahm eine züchterische Auslese auch nur insoweit vor, als er alle Tiere aussonderte, die seinen Ansprüchen nicht
genügten, d.h. die sich nicht in das enge, nahe Zusammenleben mit der Familie einpassten, die nicht gleichzeitig wachsam, wetterfest,
raubzeugscharf und jagdlich brauchbar waren.

Dabei entstand natürlich keineswegs ein äußerlich einheitlich Typ von Hund.
Groß und klein, rauh- und langhaarig, einfarbig und gestromt, rot, weizenfarbig, grau und black and tan waren die Zutaten zu allem,
was unter dem Begriff eines Irish Terriers verstanden wurde.

Diese bunte Gesellschaft von kernigen Bauernburschen war natürlich nicht nur die Grundlage für den Irish Terrier,
wie wir ihn heute kennen, sondern auch für die drei anderen irischen Terrierrassen.
Nur das man dem Irish Terrier sehr viel früher einen Rassestandard spendiert hat, als den anderen.
Aus ähnlichen Anfängen entwickelte sich in England und Wales der Old English Black and Tan Terrier.
Er hat zweifellos großen Einfluß auf die irischen Terrier gehabt und wird heute oft als Stammvater des Irish Terrier bezeichnet.

Aber auch ein anderer Ire hat in den alten Zeiten seine Spuren bei den Vorfahren des Irish Terriers hinterlassen. Der Irish Wolfhound.
Dieser war der Hund des Adels, irischer Nationalhund und wurde für die Jagd auf Wölfe und anderes Großwild gehalten.
Es gehörte nun zu den Frondiensten der Landbevölkerung, nicht nur bei diesen aufwändigen Jagden, als Gehilfe tätig zu sein,
sondern auch die Hunde das Jahr über zu halten und zu ernähren.
Selbstverständlich war es streng verboten, diese eindrucksvollen, mutigen Tiere mit den ordinären Dorfhunden zu verpaaren.
Was aber mag in so mancher dunkler Nacht im alten Irland geschehen sein......?
Damit hat wohl der Wolfhound, der damals noch nicht gar so riesig war wie heute, ein wenig zu Ausdruck,
raciness und HD Freiheit beigetragen. Letztere teilt der Irish Terrier mit allen, auch den allergrößten Windhundrassen.

Und so wurden die Grundlagen gelegt für unsere rauhaarigen, roten Freunde des 21. Jahrhunderts.
Für die Widersprüchlichkeit ihres unvergleichlichen Charakters mit Mut, Härte und Jagdtrieb, aber auch Charme,
Freundlichkeit, Kinderliebe und einem eigenen, unabhängigen, kreativen Gehorsam, der keiner klassischen Dressur,
sondern nur der unabdingbaren Freundschaft und Treue zu ihrem geliebten Herrn entspringt.

Vom Bauernburschen zum Modehund

1859 - Die erste Hundeausstellung
Das unbeschwerte Leben auf dem Lande fand ein Ende, als man 1859 die Hundeausstellung erfand.
Die erste eigene Klasse für irische Terrier wurde 1875 eingerichtet und es dürfte nach dem Obengesagten nicht verwundern,
daß es in dem Ausstellungsring recht bunt zuging. Bunt zunächst was Farbe, Haararten und Größe der vorgestellten Hunde betraf,
bunt aber auch was die Beschwerden der Leute anging, deren Hunde als nicht rassetypisch aussortiert wurden.
Ein wohl etwas zynischer Beobachter soll geäußert haben,
daß das einzig Einheitliche an den gezeigten Hunden ihre irische Herkunft sei.
Der erste Irish Terrier Club
Aber schon vier Jahre später war der erste Irish Terrier Club - nicht in Irland sondern in England - gegründet,
ein Standard wurde aufgestellt und seitdem weiß jeder Irish Terrier, wie er auszusehen hat.
Dieser Standard - der im wesentlichen noch heute Gültigkeit hat -
ist er in der Tat mit so viel vorausschauender Weisheit formuliert worden,
dass man sich noch heute über die selben Punkte streitet, wie schon vor 125 Jahren.
Kupierverbot
Einen großen bleibenden Verdienst hat sich dieser Club aber erworben,
indem er Vorreiter für die Abschaffung des Kupierens der Hundeohren war.
Es wurden schlicht keine Hunde im Ring mehr prämiert, die nach dem 31.12.1889 geboren waren und kupierte Ohren trugen.
Dies war der Anfang für ein generelles Ohrenkupierverbot im Vereinigten Königreich.
Um das dagegen völlig unproblematische und harmlose Kürzen der Rute zu verbieten, mussten erst 100 Jahre ins Land gehen
und Politiker auf dem Kontinent an die Macht kommen, die durch Gottes Eingebung wissen, was gut für ein Tier ist,
obwohl sie am lebenden Objekt hinten und vorne nicht zu unterscheiden vermögen.
Aber auch das heute zu Recht so grausam erscheinende Kupiern der Ohren hatte in alten Tagen durchaus seinen Sinn,
denn bei der Jagd wurden die Hunde leicht an den Ohren verletzt. Vor der Erfindung von wirksamen Medikamenten
kam es dann sehr leicht zu langwierigen, letztlich oft sogar tödlichen Entzündungen.
Dem beugte man durch rechtzeitige Entfernung der Problemzonen vor.
Mutprobe
Und in der Frühzeit der planmäßigen Irish Terrierzucht musste jeder Hund vor seiner Zuchtverwendung seinen Schneid
beim sog. Ziehen von Raubwild unter Beweis stellen. Dies entsprang langjähriger praktischer Übung bei der Bekämpfung von Raubwild.
Wenn ein kleinerer Hund das Raubwild im Bau gestellt hatte, wurde der Bau dort aufgegraben.
Um des Räubers endgültig habhaft zu werden, wurde der kleine Bauhund, der den Räuber nicht zu töten vermochte,
abgenommen und der stärkere Irish fuhr in den Einschlag, packte das Raubwild, tat es ab oder beförderte es zumindest nach draußen,
wo der Spaten dann ein letztes Mal in Aktion trat.
Diese Leistung musste seinerzeit jeder zur Zucht verwendete Irish nachgewiesen haben;
die kleinen an einem Fuchs, die großen am Dachs.
Entwicklung
Aber recht bald schon kamen diese praktischen Übungen aus der Mode, im gleichen Maße wie der Irish Terrier selber in Mode kam.
Und um die Wende zum 20. Jahrhundert war der Irish die dritthäufigste Hunderasse in England.
Nach dem Foxterrier und dem Bernhardiner.

Diese rasante Entwicklung führte dazu, dass der Rassetyp sich in dieser kurzen Zeit herausbilden und festigen konnte.
Man vergleiche auf alten Fotos die Irish Terrier aus den achtziger Jahren des 19. Jahrhunderts und die Hunde dreißig Jahre später.
Verbreitung
Diese attraktiven Burschen eroberten die Herzen der Hundefreunde nicht nur auf den britischen Inseln
sondern bald auch auf dem Kontinent. Airedale- und Irish Terrier waren die ersten, die in das Zuchtbuch des "Klubs für rauhaarige Terrier"
- dem Vorläufer des KfT - in Deutschland eingetragen wurden. Sie hatten nun Liebhaber in vielen Ländern
und in allen Bevölkerungsschichten erworben und erwiesen sich der Charakterisierung eines alten irischen Dichters als würdig.
Dieser hatte sie folgerichtig bezeichnet als:
"The poor man's sentinel, the farmer's friend and the gentleman's favourite"
(Des armen Mannes Wächter, des Bauern Freund und des Gentleman's Liebling)

Doch überall, wo er hinkam, gab es Menschen, die erkannten, dass dieser einzigartige Hund mehr konnte als gut aussehen und bellen,
wenn der Briefträger kommt. Denn seine Fähigkeiten als Jagdhund und Raubzeugwürger hatte der Irish Terrier
über all die Jahre in seinem Inneren bewahrt.